Mit diesen 5 Top Kennzahlen
hat jeder Einzelhändler sein Business im Griff
Gastbeitrag von Jörg Roos – Finanzplaner und Business-Mentor – joerg-roos.com
Causa Kennzahlen Einzelhandel: Haben Einzelhändler den Überblick?
Kennzahlen Einzelhandel – Das Thema Einzelhandel begleitet meine Familie schon lange. Meine Mutter besaß früher einen Spiel- & Schreibwarenladen, den sie von Ihrem früheren Chef abgekauft hatte um sich damit einen langersehnten Traum zu erfüllen. Endlich der eigene Chef sein, hatte sie doch zuvor viele Jahre als Kassiererin und dann als Verkäuferin gearbeitet.
Jetzt war sie selbst Unternehmerin – und wenn man ehrlich ist: Im Grunde hatte Sie keine Ahnung, was wirklich auf sie zukommen sollte und was es bedeuten würde Einzelhändler zu sein, geschweige denn hatte sie Vorstellungen, was wichtige betriebswirtschaftliche Kennzahlen im Einzelhandel bedeuten.
Als Bauingenieur hat mein Vater sie soweit es ging unterstützt – aber auch er musste sich erst in die Themen einarbeiten. Ich war zunächst noch Jugendlicher – mit ganz anderen Flausen im Kopf, was es mit oder Kennzahlen im Handel oder noch genauer der Kombination von Kennzahlen und Einzelhandel auf sich hatte. Ich dachte mir sehr oft „warum brauchen wir Kennzahlen“ und „warum sind Kennzahlen so wichtig“. Später dann, war ich Student der Wirtschaftswissenschaft und half im Geschäft meiner Mutter aus. Aber wusste ich deshalb, wie man ein Einzelhandelsunternehmen führt oder gar welche Kennzahlen wir im Blick behalten sollten? Und wie man diese richtig interpretiert?
Klare Antwort: NEIN.
Erst nachdem meine Mutter das Geschäft längst erfolgreich weiterverkauft hat, lernte sie wichtige wirtschaftliche Kennzahlen im Einzelhandel kennen und wusste warum Kennzahlen wichtig sind.
Meiner Mutter half das nicht mehr, aber ich bin sicher, dass auch heute wieder viele Einzelhändler vor derselben Herausforderung stehen, wie damals meine Mutter. Für diese möchte ich heute mal mit der Machete durch den Zahlendschungel gehen und die Perlen unter den Kennzahlen für den Einzelhandel aufzeigen.
Warum braucht man Kennzahlen – eine Kennzahlenanalyse.
Und warum braucht der Handel betriebliche Kennzahlen, oder anders: Warum braucht man Rentabilitätskennzahlen im Einzelhandel und warum werden Kennzahlen verwendet, also kurz „warum Kennzahlen“? Zunächst mal unterscheiden wir operative Kennzahlen von den eher strategischen Finanzkennzahlen.
Aufgabe: Definition Kennzahlen
Eine Kennzahlen Definition gleich zu Beginn: Während die operativen Kennzahlen sich auf Anzahl der Kunden, Anzahl der Verkaufstage, Größe der Verkaufsfläche – vor allem im Einzelhandel von großer Bedeutung – usw. beziehen, basieren Finanzkennzahlen auf der Bilanz Ihres Unternehmens.
Achtung Spoiler-Alarm: Warum besitzen einzelne Kennzahlen allein nur geringe Aussagekraft? Oft ist es eine gute Idee beide Arten von Kennzahlen miteinander zu kombinieren. Aber dazu später mehr.
Jedenfalls, wenn man ehrlich ist, haben Kennzahlen auch ein bisschen etwas mit Faulheit zu tun. Warum gibt es Kennzahlen und was sind Kennzahlen? Über sie versuchen wir Entwicklungen in der Finanz- & Vermögensstruktur eines Unternehmens zu erkennen, ohne möglichst zu tief in die Details abtauchen zu müssen.
Ok, ich höre schon, wie Sie innerlich protestieren. „Das ist keine Faulheit, sondern eine effiziente Arbeitsweise“.
Gerne. Punkt für Sie.
Das Ergebnis bleibt aber. Die wichtigsten Kennzahlen – wertorientierte Kennzahlen – im Unternehmen helfen dabei betriebswirtschaftliche Chancen & Risiken in Ihrem Unternehmen zu erkennen. Und das ist gut so.
Die besten Kennzahlen für den Einzelhandel – Kennzahlen Beispiele
Kennzahlen im Einzelhandel – Kennzahl #1: Durchschnittlicher Umsatz je Kunde
Es ist wohl der Klassiker unter allen Kennzahlen für den Einzelhandel und die Frage „warum benötigt man Kennzahlen“ wird ab sofort wohl beantwortet sein. Der durchschnittliche Umsatz je Kunde ist für jedes Einzelhandelsgeschäft ein wichtiger Maßstab. Nicht zuletzt lässt sich der Effekt von Werbemaßnahmen über diese Kennzahl messen.
Σ Umsatzerlöse GESAMT / Anzahl Kunden
Für mich ist speziell die langfristige Entwicklung dieser Kennzahl sehr aufschlussreich. Als monatliche Zeitreihe dargestellt, wird hier sehr frühzeitig und sehr transparent ersichtlich, wie sich das Unternehmen entwickelt.
Es gibt auch interessante Variationen: So können Sie den durchschnittlichen Umsatz je Warengruppe, je Mitarbeiter, je Quadratmeter ergänzend heranziehen, um einen noch detaillierteren Einblick in Ihre Geschäftsentwicklung zu erhalten.
Als Datenbasis dient in der Regel die Warenwirtschaft, wo zumeist auch eine automatische Kalkulation erfolgen kann.
Kennzahlen im Einzelhandel – Kennzahl #2: Back Order Rate
Mit der Back Order Rate (Rückstandsquote) wird gemessen, welcher Anteil der Kundenbestellungen nicht umgehend erfüllt werden kann.
Offene Bestellungen / Gesamtzahl der Aufträge
An dieser Kennzahl zeigt sich sehr schön, in welcher Zwickmühle der Einzelhändler häufig steckt und warum Kennzahlen im Einzelhandel so wichtig sind. Ein hoher Lagerbestand bedeutet, dass viel Kapital gebunden ist. Es kann also nicht für die Befriedigung anderer Ansprüche eingesetzt werden. Also versucht der Einzelhändler, die Bestände so niedrig, wie möglich zu halten, um möglichst viel freies Kapital zu haben und somit jederzeit auf besondere Situationen reagieren zu können.
Wenn nun aber viele Kundenbestellungen eingehen und der Bestand niedrig ist, werden schon frühzeitig Kundenbestellungen nicht erfüllt werden können. Das wird die Kunden unzufrieden stimmen, was sich entsprechend auf die Kundenbindung auswirkt.
Gerade im langfristigen Vergleich mit dem Branchendurchschnitt kommt dieser Kennzahl eine besondere Bedeutung zu. Jede Abkopplung vom langfristigen Trend sollte genau analysiert und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.
Grundsätzlich ist eine niedrige Back Order Rate anzustreben.
Kennzahlen im Einzelhandel – Kennzahl #3: Rückgabequote
Mit der Rückgabequote messen Sie, wieviel Prozent der ursprünglichen Bestellungen von Kunden wieder zurückgegeben werden.
Anzahl Rückgaben/Rücksendungen / Anzahl Bestellungen
In der Regel lässt eine Rückgabe/Rücksendung immer auf eine Unzufriedenheit des Kunden zurückschließen. Eine abschließende Analyse sollte also herausarbeiten, was der Grund für die Rückgabe war (z.B. unzureichende Dokumentation, Qualität nicht wie erhofft, Kompatibilität zu anderen Produkten…..). Diese Ergebnisse können Sie also sehr gut verwenden, um Ihr Produktportfolio weiter zu optimieren und so die Zufriedenheit Ihrer Kunden steigern. Spätestens hier höre ich immer wieder mein junges Ich mit der Frage „warum benötigt man Kennzahlen“. Heute weiß ich um die Wichtigkeit von Kennzahlen. Vor allem für Einzelhändler.
Eine hohe Rückgabequote lässt aber nicht nur auf Potential bei der Kundenzufriedenheit schließen. Vielmehr steckt hier für Sie und Ihren Unternehmen auch erhebliches Gewinnpotential. Jede Rückgabe ist mit zusätzlichen Handlingskosten verbunden. Eventuell fallen Umverpackungsarbeiten an oder Sie können die Produkte nur noch zu einem reduzierten Preis verkaufen. Diese Kosten können sich schnell addieren und so einen großen Anteil Ihrer Gewinnmarge aufzehren.
Kennzahlen im Einzelhandel – Kennzahl #4: Anteil Gesamtkosten am Umsatz
Unter Gesamtkosten werden in diesem Zusammenhang alle Kosten verstanden, die nicht direkt zu den Produktkosten (=Wareneinsatz) gerechnet werden. Zum Beispiel gehören hierzu die Personalkosten und auch die sonstigen betrieblichen Kosten, aber auch die Abschreibungen.
Σ Gesamtkosten / Umsatzerlöse
Einer der größten Fehler, den Einzelhändler machen können, ist immer nur die Rohertragsmarge im Blick zu haben. Das ist zwar schon „besser“ als sich allein auf den Umsatz zu fokussieren, vernachlässigt aber dennoch einen erheblichen Teil der Gesamtkosten des Unternehmens. Spätestens hier wird klar, wie wichtig Kennzahlen im Einzelhandel sind.
Sobald Sie aber regelmäßig die Entwicklung der „nicht produktbezogenen Kosten“ analysieren und somit wissen, wieviel Prozent des Umsatzes diese ausmachen, können Sie in einer Preisverhandlung auch sehr einfach abschätzen, ab welchem Preis Sie nach Abzug aller(!) Kosten keinen Gewinn mehr machen. Das ist eine elementare Information, die jeder Unternehmer jederzeit abrufbar haben sollte – und zwar auf Basis aktueller Werte!
Kennzahlen im Einzelhandel – Kennzahl #5: Krankenquote & Fluktuationsquote
Fast jedes Einzelhandelsunternehmen hat angestellte Mitarbeiter. Der Einfachheit halber zähle ich jetzt mal „Minijobber“ mit dazu.
Haben Sie auf jeden Fall einen Blick auf die Entwicklung der Kranken- & Fluktuationsquote. Auch wenn es vielleicht wehtut. Vor allem im Einzelhandel ist jede helfende Hand und jeder Mitarbeiter wichtig. „Personelle Kennzahlen“ sind somit ebenso wichtige betriebswirtschaftliche Kennzahlen im Einzelhandel wie die Kennzahlen zu Rückstandsquoten.
Denn in diesen beiden Zahlen, bzw. in der langfristigen Entwicklung können Sie sehr genau ablesen, wie es wirklich im die Stimmung in Ihrem Team bestellt ist. Wie wohl fühlen sich die Mitarbeiter bei Ihnen wirklich?
Das ist wichtig, denn je zufriedener ihre Mitarbeiter, desto besser werden sie verkaufen…..
Steigende Werte offenbaren, dass irgendetwas nicht stimmt. Da viele Mitarbeiter sich schlicht nicht trauen, offen über ihr Befinden zu reden (schon gar nicht mit dem Chef selbst), Helfen Ihnen diese Kennzahlen trotzdem ein gutes Gefühl zu behalten.
Die größte Gefahr hierbei ist, dass wir Chefs meinen, dass dies in unserem Team kein Thema ist. Zu uns kommen die Mitarbeiter und reden offen. Ich habe mich bewusst hier einbezogen, denn ich habe diesen Fehler auch schon gemacht.
Also, ermitteln Sie bitte diese Kennzahlen regelmäßig. Kennzahlen im Einzelhandel sind wichtig!
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Weitere interessante Beiträge zum Thema Performancesteigerung im Handel
Und was bleibt?
Warum besitzen einzelne Kennzahlen allein nur geringe Aussagekraft? Das liegt daran, dass Einzelhändler und Unternehmen immer das große Ganze betrachten sollten. Dies ist natürlich nur eine Auswahl von möglichen Kennzahlen. Je nach Branche, Finanzierungsstruktur und Unternehmensphase kommen andere Kennzahlen, betriebliche Kennzahlen, vielleicht dazu.
Ach ja, die Aussagekraft jeder Kennzahl nimmt zudem im Zeitreihen- und Unternehmensvergleich stark zu. Insofern hilft eine sporadische Ermittlung auch nur bedingt weiter.
Das sollten Sie jetzt unbedingt als Nächstes machen:
- Ermitteln Sie bereits bei der Erstellung Ihres Finanzplans und bei der jährlichen Aktualisierung diese Kennzahlen. So haben Sie Planwerte, denen Sie die IST-Werte gegenüberstellen können.
- Vereinbaren Sie einen monatlichen Termin mit sich selbst. In diesem ermitteln Sie diese IST-Werte und analysieren die Entwicklung (Zeitbedarf max. 1h)
Was ist eigentlich Ihre „Lieblingskennzahl“ oder welche sind Ihre wichtigsten Kennzahlen? Schreiben Sie dazu doch gerne einen Kommentar.
Jörg Roos
Jörg Roos ist Finanzplaner und Business-Mentor für kleinere Unternehmen. Seine Kunden sind immer wieder überrascht, wie spannend und interessant Controlling doch sein kann. Mit seiner Arbeit nimmt er den Unternehmer an die Hand und entwickelt mit ihm ein individuell zugeschnittenes Controlling-Konzept, das dann gemeinsam umgesetzt wird. Auf seiner Webseite joerg-roos.com gibt es viele kostenlose Tipps, Tricks & Vorlagen, die dabei helfen die Zahlen in den Griff zu bekommen.
Guter Beitrag Jörg. Gefällt.
Zum Durchschnittlicher Warenkorb finde ich immer noch Anzahl Besucher und Anzahl Sales interessant.
VG Pierre
DANKE Pierre.
Absolut, Auch das sind spannende Informationen aus denen man viel ableiten kann! Danke für die Ergänzung!
VG; Jörg