VW-Gate
VW-Gate – Das Beste, was Volkswagen passieren konnte!
Der Schaden von VW-Gate (der Manipulation von Abgaswerten durch den Autobauer) für Volkswagen selbst, die deutsche Autoindustrie und die deutsche Wirtschaft geht in dutzende, wenn nicht hunderte Milliarden € – sofern er überhaupt bezifferbar ist. Und dennoch, so kostspielig und schmerzhaft dieser Skandal ist und so fatal er sich kurzfristig auf Volkswagen auswirkt, bin ich dennoch überzeugt, dass er – mittelfristig betrachtet – das Beste ist, was VW passieren konnte.
VW-Gate und der Weinskandal
Drehen wir die Uhr ein paar Jahrzehnte zurück ins Jahr 1985. Das Jahr des österreichischen Weinskandals. Damals hatten österreichische Winzer Wein gepanscht (mit Diethylenglykol versetzt). Der Skandal schlug – ähnlich dem VW Abgasskandal – medial riesige Wellen. Man schuf das möglicherweise weltweit strengste Weingesetz als Reaktion auf den Skandal. Und was ist daraus geworden, jetzt, 30 Jahre später? Eine florierende österreichische Weinkultur auf extrem hohem Qualitätsniveau. Ich bin überzeugt, dass es diese auf diesem Niveau, ohne den Weinskandal damals jetzt nicht gäbe.
VW-Gate als Symptom einer tiefsitzenden Krise
Doch zurück zum VW-Gate, zu Volkswagen und der (deutschen) Autoindustrie. Die Tricksereien mit den Abgaswerten sind ja nur ein Symptom einer wesentlich tiefer sitzenden Grundhaltung dar. Man hatte sich schon seit Jahren in der Komfortzone aufgehalten. Satt sich der Abgaswerte wirklich anzunehmen, wurden die Ergebnisse manipuliert. Neuerungen beschränkten sich im wesentlichen auf ein paar technische Verbesserungen und einige elektronische Spielereien. Ich war überrascht als ich kürzlich mit einem Freund mitgefahren bin, der ein Auto derselben Marke und Bauklasse fährt wie ich, allerdings ca. 8 Jahre neuer, wie wenig wirkliche Unterschiede und Neuerungen es zu meinem Fahrzeug gibt.
Der Neuling überholt rechts und links
Das Thema Elektroantrieb hat man bei den etablierten Autobauern absichtlich ausgeklammert oder einfach verschlafen. Ein paar halbherzige Hybridvarianten nutzt man als Feigenblatt und, um sagen zu können: „Wir sind auch fortschrittlich und umweltbewusst!“ Mitbewerber wie Tesla wurden nur belächelt. Inzwischen hüpft Tesla, als absoluter Neuling in der Branche, den etablierten Autobauern vor, wie man Elektrofahrzeuge baut und verkauft. 2015 sieht es ganz so aus als würde das Tesla Modell S in den USA zum meistverkauften Fahrzeug in der Oberklasse werden. Gelacht wird jetzt nicht mehr bei den Tesla Mitbewerbern.
Und nicht nur, dass Tesla Autos baut, die offenbar gut ankommen, betreibt Tesla wirkliche Innovationen des Geschäftsmodells. So wächst das Netz von Tesla Stromtankstellen auch in Mitteleuropa kontinuierlich (wie ein Foto, das ich letzte Woche auf einer deutschen Autobahnraststätte aufgenommen habe zeigt). Sie sind bereits unter uns. Das Auto selbst stellt mehr und mehr die Ausgangsbasis für ganz neue, andere Geschäftsmodelle dar, die einige Branchen umkrempeln könnten und werden.
Never change a winning team! – Eine gefährliche Strategie
Dabei hätten die etablierten Autobauer in diesem Segment schon längst mehrere Modellserien von Elektrofahrzeugen auf den Markt bringen können. Der Know How Vorsprung zu einem Neuling wie Tesla war riesig (ist es jetzt aber nicht mehr). Doch man wollte sich mit dem Thema Elektroantrieb nicht selbst Konkurrenz machen. Warum auch? Die Umsätze waren ja weitgehend zufriedenstellend bis jetzt. Und „Never change a winning team!“ wie es so schön heißt.
Doch das ist eine gefährliche Strategie und zwar in zweierlei Hinsicht.
- Erstens stellt sich die Frage ob die Lage bei vielen der Etablierten tatsächlich so rosig war bzw. ist, wie es den Anschein hatte. Speziell in den letzten Jahren hatte man sich Marktanteile und Stückzahlen mit massiven (teilweise staatlichen) Stützungsaktionen gekauft und dabei die Gewinne durch permanente Rabattaktionen ausgehölt. Viele der Händler stehen unter enormem Druck und permanent am Randes des finanziellen Abgrundes.
- Zweitens ist das eine gefährliche Strategie, weil Stillstand, gerade in der High Tech Branche beinahe sofortigen Rückschritt bedeutet. Der Mitbewerb schläft nicht und der Weg vom Star zum wirtschaftlichen Aus ist ein enorm kurzer, wie Beispiele wie Nokia, Palm oder auch Kodak zeigen. „Too big to fail!“ gehört der Vergangenheit an. Kodak ist dafür ein besonders schönes Beispiel. Man hatte da nämlich die Technologie für die Digitalfotografie bereits in der Schublade, wollte diese aber nicht nutzen, um sich nicht selbst Konkurrenz zu machen. Das erwies sich als schwerer Fehler. Merke …
Zurück zu VW-Gate. Der Riesenvorteil an dem Skandal ist, dass er Volkswagen und damit einhergehend sehr wahrscheinlich auch andere etablierte Autobauer zwingt, radikale Änderungen zu machen und sich selbst neu zu erfinden. Ein wenig Kitt auf den Riss und weitermachen wie bisher wäre zu wenig. Und es wäre aus meiner Sicht sehr schade, diese historische Chance, wirkliche Neuerungen anzugehen oder umzusetzen, ungenutzt verstreichen zu lassen. Neuerungen für die es normalerweise sehr viel Mut bräuchte (der oft nicht ausreichend vorhanden ist), können jetzt, mit Rückenwind durch den Skandal, wesentlich leichter angegangen werden. Sie scheinen logisch und werden erwartet.
VW-Gate – Das Beste was VW passieren konnte!
Schade ist nur, dass es immer wieder eine große Krise braucht, um grundlegende Veränderungen auszulösen. Aber das scheint menschlich zu sein. Wir bewegen uns oft nur dann, wenn der Schmerz und der Druck zu groß geworden sind. Lassen Sie uns daher hoffen, dass wir auf diesen Skandal in ein paar Jahren oder Jahrzehnten zurückblicken und sagen: „Das ist das Beste gewesen, was VW damals passieren konnte!“
Ich freue mich auf Ihre Kommentare!
Ihr
Roman Kmenta
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Autor und Keynote Speaker
Mag. Roman Kmenta ist als Keynote Speaker und Redner in international tätig. Er berät Unternehmen und Unternehmer zu den Themen Verkaufs- und Marketingstrategien für höhere Preise, Honorare und Deckungsbeiträge.
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